Roads To Siberia, Tag 73

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Montag, 10. August 2015 Juktali

Wir sind früh hoch und machen uns über das Frühstück her, heute mal richtig fürstlich mit Brot, Kaffee, Aufschnitt und Marmelade. Beim Frühstück werfen wir einen Blick auf die Karte, immerhin haben wir schon mehr als zwölfhundert Kilometer BAM hinter uns und befinden uns sozusagen auf der Zielgeraden. Wir rechnen noch mit drei bis vier Tagen nach Tynda. Zwar sollen die letzten hundert Kilometer vor Tynda in recht gutem Zustand sein, aber der Rest wird bestimmt typisch BAM sein, sprich Furten, marode Brücken, tiefe Pfützen und eine ausgefahrene Piste. Aber egal, wir sind frohen Mutes, schließlich sind wir schon ziemlich weit gekommen und haben auch Glück mit dem Wetter.

Außerdem haben wir ein gutes Frühstück hinter uns, und nun soll es weitergehen. Der Himmel ist auch wieder besser zu sehen, die Waldbrände um Juktali scheinen langsam auszubrennen, denn die Rauchwolken lassen merklich nach. Wirklich betroffen sind wir nicht, weil sich alles südwestlich vom Fluss Olekma abspielt.
Also die Kräder beladen und los geht’s! Nö, doch nicht, meine XChallenge reagiert nicht auf den Startknopf, der Anlasser gibt keinen Mucks von sich. Hmm, merkwürdig das. Erste Idee ist, die Batterie ist leer, wie auch immer das passiert ist. Zum Glück habe ich ein Starthilfekabel dabei. Also den Beemer daneben geschoben, Kabel zusammen gesteckt und an Johns Batterie angeschlossen, immer noch keine Reaktion. Eine nähere Prüfung ergibt, dass es nicht an der Batterie liegen kann. Beim genauen Hingucken stellen wir fest, dass die Schraube vom Starterkabel am Anlasser lose ist, festziehen funktioniert aber nicht, irgendwas im Anlasser muss gebrochen sein.

Wat’n Schiet! Egal, erst mal soweit abrödeln, Werkzeug rausholen und den Anlasser ausbauen, um das Problem zu lokalisieren. Zum Glück stehen wir noch im Schatten und es ist noch angenehm kühl. Zusammen mit John fange ich an zu schrauben. Zum Glück lassen sich die Schrauben gut lösen, obwohl der Anlasser auf der Vorderseite vom Motor ziemlich exponiert ist und sozusagen jede Menge Dreck und Wasser abbekommen hat auf der BAM. So wie es aussieht, wird wohl ein hochgeschleuderter Stein die Schraube gelockert haben. Leider lässt sich der Anlasser nicht so einfach ausbauen, obwohl alle Schrauben gelöst sind, kriegen wir ihn nicht herausgefummelt, Auspuff und Halter vom Tank sind im Weg. Also Tank runter, Halter und Auspuff lösen. Auch das geht so weit ganz gut, auch wenn es schwierig ist, an die Schrauben zu kommen. Nach knapp zwei Stunden ist der Anlasser dann draußen. Da uns langsam warm wird, schicken wir Thom los, um ein paar kalte Getränke zu holen und etwas zum Essen.

Als wir den Anlasser öffnen, fallen uns ein paar Plastikteile entgegen, außerdem sehen die Einzelteile wie die Kohleläufer und der der Anker ziemlich rottig aus, alles ist mehr oder weniger verrostet und die Lager der Welle laufen recht rau. Eigentlich kein Wunder bei der exponierten Lage, eher sogar ungewöhnlich, dass er so lange klaglos seinen Dienst verrichtet hat. Wir können jetzt auch den Defekt lokalisieren, das Plastik, was die Schraube isoliert und gleichzeitig fest hält ist gebrochen. Ein kurzer Test zeigt, dass es nicht ohne dieses Teil geht, die Isolierung muss also irgendwie repariert werden. Ich war schon am überlegen, ob ich einen Reserveschlauch zerschneide als John die Idee hat, das Plastikteil mit Epoxid-Harz zu kleben und zu fixieren. Eine gute Idee muss ich sagen, zumal John das Zeug dabei hat und das Harz auch noch hitzebeständig ist. John mixt dann das Harz an, und während der Trockenzeit essen und trinken wir etwas. Dann geht es an den Zusammenbau, was nicht ganz so einfach ist, weil es auf die richtige Position der Kohlenschleifer ankommt, und natürlich auch die inneren Anschlüsse richtig sitzen müssen. Zuerst kriegen wir das nicht hin, doch mit etwas Probieren kann ich dann doch das Puzzle zusammensetzen, und der Test danach verläuft erfolgreich. Jetzt muss nur noch alles wieder zusammengebaut werden. Der Anlasser flutscht quasi von allein rein, festschrauben, Zündung an und jetzt der Druck aufs Knöpfchen und der Motor läuft, Bingo, geschafft! Weiter geht es mit dem Zusammenbau, aber der Halter für den Tank wehrt sich mit aller Macht gegen den Zusammenbau. Aber mit etwas Gewalt und längeren Schrauben kriege ich auch das wieder hin. Noch schnell den Luftfilter ausgeklopft und dann den Tank drauf und befestigen. Sieht soweit alles gut aus, doch beim Zusammenpacken des Werkzeugs fällt uns eine Gummidichtung auf. Hmh, könnte vom Luftfilter sein, also Tank wieder runter, Luftfilterdeckel an und gucken, nö, die Dichtung gehört da nicht hin, weil ist schon eine im Deckel. Wir überlegen und gucken ein wenig ratlos in die Gegend, weil woanders war keine Dichtung. Also entschließen wir uns wieder für den Zusammenbau und packen die Dichtung ein, wer weiß, wo sie hin gehört oder ob sie sich einfach so ins Werkzeug geschlichen hat. Mittlerweile ist es so gegen halb Drei, also eigentlich ist der Tag fast gelaufen.

Wir müssen jetzt erst einmal sehen, dass wir hier irgendwo Benzin bekommen. Wir fahren einfach los und fragen uns durch. Doch zunächst weiß keiner, wo wir Benzin bekommen. Dann halten wir ein Auto in der Nähe vom Bahnhof an, der Fahrer hat Benzin und wir sollen ihm hinterher fahren. Es geht ein bisschen durch die „Vororte“ von Juktali und wir landen letztlich im Hof eines größeren Anwesens, wo einiges an alten Fahrzeugen rumsteht, dazu einige Gemüsebeete und Schuppen. Dann wird kurz geklärt, wie viel Benzin wir brauchen. Thom und ich nehmen jeder 15 Liter und sind damit voll, John nimmt 20 Liter und hat damit ebenfalls vollgetankt. Damit sollten wir ohne Probleme bis Tynda kommen!

Mittlerweile ist es fast fünf Uhr, als wir von der Gartentankstelle aufbrechen. Eigentlich zu spät um auf die Piste zu gehen, doch Thom gibt erst einmal Gas. An der Brücke hält er an und wir besprechen kurz, wie es heute weiter gehen soll. Schnell sind wir uns einig, dass wir noch einmal in der Schule übernachten wollen, also geht’s zurück, zum Glück können wir wieder ins alte Zimmer und wir genießen dann die Dusche. Anschließend wir für das Abendessen eingekauft, wir wollen kochen und so werden dann Dosenfleisch, Gemüse und Kartoffeln besorgt. Dann machen wir uns auf dem Schulhof gemütlich und schmeißen die Kocher an.

Herrlich, mal so ganz oder fast ganz ohne Mücken zusammenzusitzen, gemeinsam das Essen zuzubereiten und dann zu essen. Und, last but not least, das Geschirr nicht in einem Fluss abwaschen zu müssen. Wir ziehen ein Resümee vom Tag und finden, dass wir wieder einmal Glück hatten, der Anlasser hat nicht mitten in der Pampa seinen Geist aufgegeben, sondern an einem Platz wo wir ihn problemlos reparieren konnten. Und John hatte das Harz dabei, besser geht’s eigentlich nicht. Wir beschließen dann am nächsten Morgen wieder früh aufzubrechen und sind dann gegen Elf in unseren Betten verschwunden.

Wolle

Lebt in der Nähe von Hamburg und liebt das ganz große Abenteuer. War auf seiner modifizierten 650er Xchallenge in der Mongolei und Sibirien und tourte mit einer T700 durch Südamerika. Für die etwas gemächlicheren Touren innerhalb Zentraleuropas zieht er jedoch als Lastesel seine 800er Tiger vor.