Roads To Siberia, Tag 71

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Samstag, 8. August 2015 Khani – Olekma-Fluss (ca. 50 km)

Wir haben recht gut geschlafen und bringen am Morgen das Feuer wieder in Gang. Wir genießen das Frühstück, dazu den heißen Kaffee. Johns Klamotten sind einigermaßen trocken und so können wir in aller Ruhe das Lager abbrechen und uns auf den restlichen Weg nach Juktali machen.

Gleich nach dem losfahren zeigt uns die BAM mal wieder, warum sie so etwas wie der heilige Gral der Abenteuerreisenden ist. Es gilt einen steilen Anstieg zu erklimmen, wobei durch Unterspülung eigentlich nur noch die halbe Straße befahrbar ist. Dazu macht mich Thom auf meinen losen Kettenschutz aufmerksam. Eine Schraube hat sich verabschiedet, was sich aber schnell fixen lässt, schließlich habe ich eine große Sammlung Ersatzschrauben dabei.

Später höre ich ein mahlendes mechanisches Geräusch, aber die Quelle lässt sich nicht eindeutig ausmachen. Immerhin scheint es kein Radlager zu sein, wie eine Prüfung ergibt. Also, soweit möglich, das Geräusch ignorieren und weiterfahren.

Heute stehen einige Eisenbahnbrücken auf der Agenda, nicht die kleinen, mit denen wir schon unsere Erfahrung haben, diesmal sind es größere Kastenbrücken, die nicht so einfach zu bewältigen sind. Bei der ersten, so ca. 200 m lang, warten wir erst einmal einen Zug ab, der lässt sich aber reichlich Zeit, irgendwie sind heute weniger Züge unterwegs als sonst. Dann fährt Thom los und ich will hinterher, aber ich fahre mich im Schotter fest und lege die XChallenge schonmal gleich auf die Seite, damit sie nicht von einem Zug erfasst werden kann. John kommt zu Hilfe und wir schieben die Maschine erstmal von der Brücke. Da das einiges an Zeit gekostet hat, beschließen wir, den nächsten Zug abzuwarten. So vergeht dann noch eine gute Stunde, bevor wir uns doch auf die Brücke trauen. Diesmal ohne Probleme, ich kann den „Fußweg“ nutzen und habe dabei genug Spielraum bei den Packtaschen, so dass ich problemlos an den Knotenblechen des Geländers entlang komme. Der rechte Fuß bleibt auf der Raste und mit dem linken Fuß kann ich wenn nötig auf den Schwellen Halt finden.

John nutzt die Schwellen zum Fahren und füßelt sich dabei über die Brücke. Insgesamt dauert es vielleicht 5 Minuten, bis wir beide drüben sind. Kaum abgestiegen und Luft geholt, kommt auch schon der nächste Zug angedonnert. Wir werden fröhlich mit Horn und Winken vom Lokführer gegrüßt, in Deutschland so kaum vorstellbar, da hätte der Lokführer eher die Bahnpolizei gerufen.

Weiter geht es zur nächsten Brücke, diesmal einer kleineren Variante. Wir warten nicht lange, sondern gucken uns Brücke und Abmessungen der Moppeds noch einmal genau an. Ergebnis ist, das auch Johns Bike den „Fußweg“ benutzen kann, was die Überquerungen sicherer macht, weil er dann im Fall des Falles die vorgesehenen Taschen zum Ausweichen nutzen kann. Diesmal müssen wir jedoch noch einen Absatz vor der eigentlichen Brücke überwinden, was mit ein paar Steinen ganz gut gelingt. Dann geht es fast im Gänsemarsch über die Brücke, erst Thom, dann John und dann ich. Da John etwas langsamer ist, muss ich immer wieder stoppen, dazu dann der Blick in den Rückspiegel, ob sich ein Zug nähert. Dann sind wir drüben und weiter geht’s es, zu dritten Brücke.

Wir fahren meist parallel zum Bahndamm, lediglich für Furten verlassen wir den Bahndamm und kehren nach der Furt dorthin zurück. Insgesamt nicht so anspruchsvoll wie die Tage zuvor, aber trotzdem nicht ohne. Wir bekommen regelmäßig nasse Füße, aber auch daran sind wir mittlerweile gewöhnt.

Am Nachmittag erreichen wir Brücke Nummer 3, diesmal ein recht langes Exemplar. Wir fackeln nicht lange und Thom fährt wieder als erster, und wir folgen in gewohnter Reihenfolge. Als John und ich ein Drittel der Brücke hinter uns haben sehe ich Thom am anderen Ende der Brücke wild auf- und abhüpfen und zur Seite zeigen. Da sehe ich den Zug, vor dem er uns warnen will. Zum Glück ist die nächste Tasche nicht weit und ich fahre da rein, sehe noch, dass auch John in einer Tasche Zuflucht sucht. Da ist der Zug auch schon auf der Brücke. Laut tutend donnert der Zug über die Brücke, die gefühlte 20 cm auf- und abschwingt, der Lokführer winkt uns fröhlich zu, und ich halte mich und die XChallenge krampfhaft fest, jetzt bloß nicht loslassen, denke ich. Zu allem Unglück ist es auch noch einer dieser endlos langen Güterzüge, doch auch er hat ein Ende, kaum ist der letzte Waggon vorbei, fahre ich aus der Tasche und weiter Richtung Ende der Brücke. Kurz nach John erreiche ich das Ende der Brücke, wo wir uns erst einmal von dem Schrecken erholen müssen.

Da es schon später Nachmittag ist, halten wir erneut Ausschau nach einem guten Platz zum Kampieren. Dieser findet sich dann auch bei einer vor langer Zeit eingestürzten Brücke. Wir schlagen unser Lager auf den Resten der Auffahrt auf, gehen dann im Fluss baden und waschen uns den Schweiß des Tages vom Körper. Nach dem erfrischenden Bad waschen wir unsere Shirts und Unterhosen, dann geht es ans Feuermachen und Kochen. Wir genießen den frühen Feierabend und die wärmende Sonne. So langsam fühlen wir uns als Experten in Sachen BAM und Eisenbahnbrücken. Doch wie wir mittlerweile wissen, die BAM ist immer für eine Überraschung gut.

Mit diesem Gedanken gehen wir dann bei Einbruch der Dunkelheit in die Zelte und sind voller Erwartung auf den nächsten Tag steht da doch die Überquerung der großen und bewachten Brücke über den Olekma-Fluss bei Ust’-Njukscha auf der Agenda, bevor wir dann hoffentlich Juktali erreichen.

Wolle

Lebt in der Nähe von Hamburg und liebt das ganz große Abenteuer. War auf seiner modifizierten 650er Xchallenge in der Mongolei und Sibirien und tourte mit einer T700 durch Südamerika. Für die etwas gemächlicheren Touren innerhalb Zentraleuropas zieht er jedoch als Lastesel seine 800er Tiger vor.