Samstag, 4. Juli 2015
Heute geht es wieder auf die Straße, insgesamt etwa 1100 km bis Semey, kurz vor der russischen Grenze, und dann weiter zum Altai. Doch erst einmal habe ich einen kleinen Schreck, auf den ersten Blick liegt meine Tante Anna etwas tief in der Feder. Also schnell Sitzbank runter und dann den Luftdruck vom Federbein geprüft. Aufatmen war angesagt, Alles okay, ich hab halt zwei Tage nicht auf ihr gesessen.
Dann ging es los, zum Glück war der Stadtverkehr in Almaty am Samstagmorgen nicht allzu dicht, und so ging es trotz der Hitze gut voran, kurz Benzin und Wasser nachtanken, direkt vor der Autobahn, dann Attacke. Leider wurde das nichts mit Attacke, die Autobahn war auf insgesamt 150 km eine Baustelle, der Verkehr wurde abwechselnd auf die jeweiligen fertigen Fahrstreifen geführt. Aber mit dem Motorrad kann man ja eigentlich fast immer überholen!
Was uns dann so ca. 70 km hinter Almaty zum Verhängnis wurde, denn wir wurden zum ersten Mal von der Polizei rausgewunken. Zunächst durfte ich mir einen Vortrag auf Russisch anhören, die einzigen Wörter die ich verstand, waren „Protokoll“ und „Straff“. Entsprechend schuldbewusst guckte ich drein und zeigte meine Papiere vor. Dann sollte Thom seine Papiere vorzeigen. Ein gewohnter Griff und – nichts! Thom wurde ganz blass um die Nasenspitze und begann fieberhaft seine Klamotten und dann das Gepäck zu durchsuchen. Ich stand daneben und versuchte Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen.
Die Wachtmeister nahmen das ganze zumindest mit Humor und deuteten an, die KTM und Thom in Gewahrsam zu nehmen. Als das Suchen nichts ergab, rief Thom John an, der im Hotel auf seine Ersatzteile wartete. John kümmerte sich erst einmal darum, die Rezeptionisten aufzuscheuchen und das Zimmer zu durchsuchen. Nun mussten wir abwarten, bis John sich meldet. Erste Gedankenspiele von wegen was wäre wenn wurden getätigt, ein neues russisches Visum würde wohl am schwierigsten zu beschaffen sein. Um die Polizisten gnädig zu stimmen, verteilte ich die Aufnäher der Polizei Hamburg und einen Aufnäher vom Vollzug. Das nahmen sie begeistert auf und pappten sich die Polizei-Aufnäher gleich über ihre eigenen Abzeichen. Dazu dann ein paar Zigaretten und die Situation entspannte sich sichtlich zu unseren Gunsten.
Dann kam der Anruf von John, nix mit Papieren im Zimmer oder Hotel. Nun war guter Rat womöglich wirklich teuer! Also noch einmal Thoms Gepäck und Moppedanzug durchsuchen. Einmal kurz die Hose abtasten, nichts! Dann das Gepäck, auch erst einmal Fehlanzeige, dann holte Thom sein Pad im Schutzetui raus, eigentlich wollte er es gleich wieder verstauen, aber ich sagte nur „auspacken“ und Bingo, da waren sie die vermissten Papiere! Thom strahlte, die Polizisten feixten sich einen, und nachdem sie einen kurzen Blick drauf geworfen hatten sagten sie, wir können fahren, stiegen selbst ins Auto und fuhren lachend von dannen. Tja, das waren mal eben 2 Stunden, die uns das gekostet hat.
Aber, wie bisher immer, Glück im Unglück! Wir beschlossen auf den Schreck noch eine zu rauchen, und prompt tauchten zwei weitere Motorradreisende auf und hielten bei uns an. Einer war Jean, der Franzose, den wir am Song Kul getroffen hatten, der andere war Christian, ein Deutscher, und seit drei (!) Jahren auf Tour. Also kurz von unserem Missgeschick berichtet, und dann beschlossen wir, gemeinsam bis nach Russland zu fahren. Mit einem glücklichen Thom in unserer Mitte ging es dann durch die heiße Steppenlandschaft bei Tempo 60 langsam aber stetig voran.
Dann tauchte ein großer See nebst einem Las Vegas für Arme auf, wohl das Ziel der meisten Kasachen, die auf dieser Straße unterwegs waren, zumindest ließ der Verkehr danach deutlich nach. Ein kurzer Stopp an einem Kaffee, um den Flüssigkeitshaushalt auf Vordermann bringen, und weiter ging es durch die heiße und teilweise ziemlich staubige Steppe. Wirklich nervig waren die stellenweise die Bauarbeiten an der Straße, weil der Verkehr dann immer über staubige und ziemlich ausgefahrene Baustraßen geführt wurde. Am späten Nachmittag war es dann vorbei mit den Baustellen, und es ging dann relativ zügig voran. Mangels anderer Möglichkeiten schlugen wir dann abends die Zelte in der Nähe eines Flusses auf.
Wir fanden einen schönen Platz, und Christian kümmerte sich um Holz für ein Lagerfeuer. Der Abend war dann entspannt, und wir erzählten jeder ein wenig über das Wieso und Warum der Reise. So gegen elf Uhr verschwanden wir dann in den Zelten. In der Nacht frischte der Wind dann ziemlich auf, und es regnete auch noch zu allem Überfluss! Aber auch diesmal hatten wir Glück, gegen Morgen hörte der Regen auf, und dank des Windes konnten wir unsere Zelte trocken verstauen.
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