Nehmt ihnen ihr Spielzeug weg!

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Der Wind wird rauher: künftig ist es strafbar, öffentliche Straßen ohne Erlaubnis zur Rennbahn zu machen. Das gilt auch für Einzelpersonen, die fahren, als wären sie in einem Rennen. Tätern drohen bis zu zehn Jahren Gefängnis. Den Begriff der Raserei, so wie in der Schweiz, hat man dabei absichtlich nicht fest nach absoluten Überschreitungswerten definiert, um damit besonderen Situationen besser Rechnung tragen zu können.

Die Teilnahme an nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen war bisher nur eine Ordnungswidrigkeit, solange niemand dabei ernsthaft zu Schaden gekommen ist. Nun wird für diese Taten mit dem neu gefassten § 315d StGB ein neuer Tatbestand eingeführt, der die entsprechende Vorschrift in der Straßenverkehrsordnung ersetzt (der bisherige § 315d wird zu 315e). Wer ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet, durchführt oder daran teilnimmt, wird demnach mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft sanktioniert. Bei schweren Personenschäden können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Zudem können die Fahrzeuge der Beteiligten eingezogen werden.

Auch einzelne Raser können sich strafbar machen

Gemäß der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (18/12936, 18/12964), der das Plenum gefolgt ist, macht sich künftig auch strafbar, wer sich als einzelner Auto- oder Motorradfahrer „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Erfasst werden sollen demnach, wie es in der Begründung heißt, auch diejenigen Fälle, in denen nur ein einziges Fahrzeug „objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt“. Dagegen sollen bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen „nicht von der Strafbarkeit umfasst werden, auch wenn sie erheblich sind“.

Zum Gesetzestext – Geänderter § 315 d StGB

Strafbar wird zudem schon der Versuch, ein illegales Rennen durchzuführen, auch wenn es dann nicht stattfindet. Damit soll verhindert werden, dass Organisatoren straflos davonkommen, wenn die Polizei von dem Vorhaben erfährt und es vereitelt.

SPD: Teilnahme an Rennen rechtfertigt Strafe

Die SPD-Abgeordnete Kirsten Lühmann berichtete aus ihrer früheren Tätigkeit als Polizistin, wie schlimm es immer wieder gewesen sei, wenn sie eine Todesnachricht habe überbringen müssen. Meist sei es dabei um Opfer von Verkehrsunfällen gegangen. Doch bisher hätten Gerichte bei Todesfällen infolge illegaler Rennen meist auf fahrlässige Tötung befunden. Sei es gut gegangen, würden bisher nur ein Bußgeld und maximal drei Monate Fahrverbot verhängt.

MdB Kirsten Lühmann

Sie begrüße deshalb die Einstufung illegaler Rennen als „abstraktes Gefährdungsdelikt“, sagte Lühmann. Allein die Teilnahme sei so gefährlich, dass dies einen Straftatbestand rechtfertigte. Besonders begrüßte sie die Möglichkeit, das Tatfahrzeug einzuziehen. Lühmann zitierte einen Sachverständigen mit den Worten: „Nehmt ihnen ihr Spielzeug weg, und ihr trefft sie am meisten.“

Linke: Zu unbestimmte Rechtsbegriffe

Auch Jörn Wunderlich (Die Linke) hielt ein Handeln des Gesetzgebers für geboten, denn die meisten Verkehrstoten gebe es durch überhöhte Geschwindigkeit. Die Einführung eines abstrakten Gefährdungsdelikt halte er aber für bedenklich, weil damit eine Strafbarkeit weit vor eine vollendete Tat vorgelagert werde. Es sei nicht erkennbar, welche konkrete Gefährdung der Gesetzgeber genau meine. Auch seien die im Gesetzentwurf gebrauchten Rechtsbegriffe zu unbestimmt. Dem hielt Dr. Johannes Fechner (SPD) allerdings entgegen, es seien nur Rechtsbegriffe verwendet worden, die sich in der Rechtsprechung bereits bewährt hätten.

An einem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/12558), der eine Strafbarkeit von extrem zu schnellem Fahren auch ohne Renncharakter vorsieht, kritisierte Wunderlich, dass in ihm neben der Gefährdung von Menschen auch die Gefährdung von „Sachen von bedeutendem Wert“ als Kriterium für die Strafbarkeit genannt werde. Die Rechtsprechung setze hierfür eine Schwelle von 750 Euro. Die werde von praktisch jedem Auto am Straßenrand überschritten. „Schade, deshalb kann man dem nicht zustimmen“, sagte Wunderlich.

Minister: Mehr Rennen wegen des Internets

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) begründete das neue Gesetz auch mit dem Eindruck, dass die Zahl von Straßenrennen „durch die Möglichkeit der Verbreitung im Internet noch einmal zugenommen“ habe. Es sei ein „Signal, dass diejenigen, die glauben, sie könnten sich an illegalen Straßenrennen beteiligen, die volle Härte des Gesetzes spüren“.

Ein Kernanliegen der Bundesregierung sei gewesen, sagte Dobrindt, dass auch der Versuch unter Strafe gestellt wird und der Aufruf im Internet zu einem Rennen bereits als strafbare Handlung gewertet werde. Ebenso begrüßte er die Möglichkeit, Fahrzeuge einzuziehen: „Wer sich derart verantwortungslos verhält, muss wissen: Er hat künftig keinen Führerschein und kein Auto mehr.“

CDU/CSU. Zunehmend Rennen gegen sich selbst

Sebastian Steineke (CDU/CSU) verwies auf das Phänomen zunehmender „Rennen gegen sich selbst“. Als Beispiel nannte er den spektakulären Fall eines Motorradfahrers („Alpi fährt“), der wiederholt extrem schnelle Fahrten durch die Innenstadt mit seiner Helmkamera filmte, um sie ins Internet zu stellen, wobei ein unbeteiligter Mensch ums Leben kam. Illegale Straßenrennen seien ein Massenphänomen geworden. Es sei davon auszugehen, sagte Steineke, dass sie über die bekannt gewordenen Fälle hinaus „für eine Vielzahl von Toten und Verletzten verantwortlich“ seien.

Grüne für umfassendere Strafbarkeit

Für den eigenen Antrag ihrer Fraktion warb Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen). In der Anhörung des Rechtsausschusses habe ein Gutachter erklärt, dass für einen angefahrenen Fußgänger oder Radfahrer bereits bei 50 Stundenkilometern „die Gefahr tödlicher Verletzungen sehr hoch“ sei. Man rede hier also „über Dinge, die lebensgefährlich sind“, und das nicht nur bei Rennen.

Beim Gesetzentwurf des Bundesrates hätten Gerichte vor dem Problem gestanden, nachweisen zu müssen, dass überhaupt eine Verabredung zu einem Rennen stattgefunden hat. Aber auch in der nachgebesserten Fassung der Koalition gebe es unbestimmte Rechtsbegriffe, die Gerichte vor Schwierigkeiten stellten. Die zur Abstimmung stehende Fassung sei „besser als nichts, aber unzureichend“.

Antrag der Grünen abgelehnt

In der Schlussabstimmung enthielten sich die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen der Stimme. Den weitergehenden Antrag der Grünen (18/12558) lehnte das Parlament mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Linken ab. Sofern der Bundesrat wie erwartet auf seiner Sitzung am 7. Juli zustimmt, kann das Gesetz noch im selben Monat in Kraft treten.

In ihrem Antrag drangen Bündnis 90/Die Grünen auf eine wirksame Bekämpfung von „Raserei und illegalen Autorennen“. Die Grünen forderten darin härtere Sanktionen im Strafgesetzbuch sowie im Straßenverkehrsgesetz. So sollte die Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen durch zu schnelles Fahren grundsätzlich strafbar sein und nicht nur „an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen“, wie es derzeit im Strafgesetzbuch heißt.

In den Fällen, in denen andere nicht nur gefährdet, sondern tatsächlich geschädigt werden oder ums Leben kommen, sollte zudem der Strafrahmen verschärft werden. Außerdem sollte die Einziehung des Tatfahrzeugs sowie ein Fahrverbot bis zu zwölf Monaten ermöglicht werden. (pst/29.06.2017)

Quellen: Drucksache 18/10145 des Deutschen Bundestages, Rede von MdB Kirsten Lühmann, Deutscher Bundestag: Illegale Straßenrennen werden künftig als Straftat geahndet

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