? Glücklicher Gotthard-Raser

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Der 2017 in der Schweiz verurteilte deutsche „Gotthard-Raser“ muss in Deutschland vorerst nicht ins Gefängnis. Nach Ansicht des Stuttgarter Landgerichts sei die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in Deutschland nicht zulässig.

Zur Begründung gab das Gericht an, dass der im Urteil des Tessiner Gerichts festgestellte Tempoverstoß in Deutschland nicht als Straftat, sondern lediglich als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße zu ahnden wäre, für die man nicht ins Gefängnis müsse. So lange der Mann nicht in die Schweiz ausreise, drohe ihm damit keine Haftstrafe.

Hat gut Lachen: der Ditzinger Christian R. muss in Deutschland nicht ins Gefängnis. (Bild: Tobias Gürtler)
Hat gut Lachen: der Ditzinger Christian R. muss in Deutschland nicht ins Gefängnis. (Bild: Tobias Gürtler)

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, nach deren Willen der Raser ein Jahr Haft in Deutschland absitzen soll, habe am Mittwoch sofortige Beschwerde eingereicht, teilte der Sprecher weiter mit. Diese werde nun dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Tessiner Richter in Lugano hatten den Mann aus Ditzingen (Baden-Württemberg) 2017 in Abwesenheit zu 30 Monaten Haft verurteilt, davon 18 auf Bewährung. Das Bundesamt für Justiz in Bern hatte ein „Ersuchen um Vollstreckung der Freiheitsstrafe“ in das deutsche Bundesland übermittelt.

Der Deutsche sei im Sommer 2014 bei erlaubten 120 km/h mit bis zu 200 Sachen über die Autobahn A2 geknallt. Im Gotthard-Tunnel überholte er angeblich zehn Mal und setzte damit laut Anklage das Leben anderer Verkehrsteilnehmer aufs Spiel. Erst vor dem Ceneri-Tunnel konnte der Raser von der Polizei gestoppt werden. Sein Sportwagen wurde beschlagnahmt.

Da der Fahrer seinem Prozess in der Schweiz fernblieb, kam die Frage auf, ob und in welcher Form er überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Eine Auslieferung erschien von Anfang an unwahrscheinlich, denn diese ist nach deutschem Recht nur dann zulässig, wenn die betreffende Tat auch nach deutschem Recht oder bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts in Deutschland strafbar wäre.

Die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sei aber gar nicht Bestandteil des Tessiner Urteils gewesen, sagte der Sprecher des Stuttgarter Landgerichts. Man habe deshalb hinsichtlich der Zulässigkeit einer Vollstreckung der Freiheitsstrafe ausschliesslich die Tempoüberschreitung beurteilt, aber die war zum Tatzeitpunkt, auf deutsche Verhältnisse übertragen, eben nur eine Ordnungswidrigkeit.

Inzwischen wurde jedoch auch für deutsche Raser der Wind rauher, und seit März 2018 können hiesige rücksichtlose Einzelraser gemäß § 315d StGB mit bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden.

§ 315d StGB | Verbotene Kraftfahrzeugrennen:
(1) Wer im Straßenverkehr (…)
3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Weil verbotene Kraftfahrzeugrennen und rücksichtslose Raserei in Deutschland bisher nur dann als Straftat verfolgt werden konnten, wenn Menschen zu Schaden gekommen waren (Fahrlässige Körperverletzung bzw. Tötung) oder ein Verstoß nach § 315c StGB (Straßenverkehrsgefährdung) vorlag, soll diese Lücke nun durch die Einführung der neuen Vorschriften des § 315d StGB geschlossen werden.

Dies hat auch zur Folge, dass künftige im Ausland begangene schwer wiegende Tempoverstöße wohl nicht mehr so glimpflich für deutsche Fahrer ausgehen dürften wie im vorliegenden Fall.

Update 30.05.2018

Offenbar muss Christian R. jetzt doch ins Gefängnis, das meldete gestern die Plattform www.infranken.de unter Berufung auf die Deutsche Anwaltshotline.

Die Schweizer Justizbehörde beantragte die Vollstreckung der Haft in Deutschland. Dem gab das Oberlandesgericht Stuttgart nun statt. Zumindest die einjährige Haftstrafe muss Christian R. in Deutschland antreten – auch wenn Geschwindigkeitsverstöße in Deutschland nur Ordnungswidrigkeiten darstellen und nicht mit Haft bestraft werden.

Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) regele allerdings, dass auch in einem solchen Fall die im Ausland verhängte Strafe in Deutschland vollstreckt werden dürfe, argumentierte das Gericht. Einzig die Bewährungsstrafe wird die deutsche Justiz nicht durchsetzen, denn die Übernahme der Bewährungsaufsicht sei im IRG nicht vorgesehen.

Kradmelder24

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