Roads To Siberia, Tag 18

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Dienstag, 16. Juni 2015

Der Tunnel des Todes oder wie die Engländer sagen: „the tunnel of doom“. Heute kommt es zur ersten Begegnung mit den Ausläufern des Pamir, es sind zwei Pässe über 3000 m zu überwinden bis nach Duschanbe. Zuerst der Schakristan-Pass und dann der Anzob-Pass bzw. Tunnel. 

Es ging wieder relativ früh los, nach einem französischen Frühstück, sprich Lift, Snickers und ‘ner Zigarette. Noch kurz den Sprit auffüllen, endlich mal keine 80er Suppe sondern echten Stoff von 92 Oktan. Später dann sogar 95 Oktan. Die Straße zum Pass war gut ausgebaut und es ging zügig auf Höhe, die Moppeds bollerten fröhlich vor sich hin, endlich gut gefüttert, und es kam echtes Moppedfeeling auf wegen der vielen Kurven, endlich mal nicht nur geradeausfahren!

Dann ein Frühstücksstopp an der Abzweigung zur alten Passstraße, wobei Thoms Versuch, diese zu fahren, sogleich von netten aber stringenten tadschikischen Grenzern unterbunden wurde von wegen Verboten weil Borderzone. Egal, der neue Pass geht auch. Es gab zum Tee übrigens herrlich süße Aprikosen, optisch nicht so ansprechend wie bei REWE, aber geschmacklich weitaus aromatischer und süßer. Zwischendurch versuche ich noch der kleinen Tochter des Wirtes die englischen Zahlen näher zu bringen.

Dann wieder auf die Moppeds und rauf zum Pass, leider falsch gedacht, denn auch hier haben fleißige kleine gelbe Bauarbeiter einen Tunnel gebohrt, nach hiesigen Maßstäben sogar hochmodern mit etwas mehr als rudimentärer Lüftung und Beleuchtung. Dann wieder hinab ins Tal. Tolle Ausblicke, tiefe Schluchten und das ganze gemischt aus der Kargheit des Col de la Bonnete und der wilden Schönheit des Col d`Izoard bei der Casse Deserte.

Je tiefer wir kamen desto rötlicher wurde das Gestein und teilweise sah es aus wie roter Lehm. Am tiefsten Punkt wurde das durch den Fluss, der sich tief in den Untergrund gegraben hat bestätigt, er war schlammig rot statt wie erhofft gletscherblau. Und wieder ging es hinauf, zum gruseligen Höhepunkt des Tages, dem Anzob-Tunnel. Es gibt viele Schauergeschichten über diesen Tunnel, und sie stimmen alle! Da wir durch die vorherigen Reisenden gewarnt waren, wussten wir, was uns erwartet – dachten wir zumindest. Immerhin war der Tunnel ein Grund für den LED-Fluter am Mopped.

Aber erst einmal ging es einen Bilderbuch-Pass hinauf, herrlich geschwungene Kurven und steile Serpentinen, die an den Stelvio erinnerten, nur alles ein bisschen gewaltiger, schließlich ist hier alles etwas höher und größer.

Dann, unvermittelt zwei unscheinbare Tunneleingänge, einer davon der im Bau befindliche Zusatztunnel. Also den linken Eingang nehmen, ein dunkles schwarzes Loch harrt unser, aus dem graue Abgasschwaden rausquellen und das Autos und Lkw sprichwörtlich ausspuckt. Der Hades kann nicht viel anders sein. Also Arschbacken zusammenkneifen und los, ich zuerst wegen dem besseren Licht am Mopped. Kaum drin haben wir das Gefühl, die Dunkelheit greift nach uns. Trotz LED-Fluter und Xenonbrenner ist kaum was zu sehen in dem Dunst, die Rücklichter vor uns fahrender Autos gleichen glimmender Zigaretten, die Scheinwerfer des Gegenverkehrs Leuchtkäfern. Der Boden ist uneben, teils bröckelnder Beton, teils nackter Fels, überall ragt Moniereisen aus dem Untergrund, es ist nass, die Straße teilweise dreißig Zentimeter überflutet, es stehen Fahrzeugwracks und Gerüste, natürlich unbeleuchtet, herum, die kunstvoll umfahren werden wollen. Dazu kommt einem der Gegenverkehr auf der eigenen Spur entgegen, mit anderen Worten: Chaos pur.

Die Pkw hüpfen durch die Schlaglöcher, die Lkw ächzen und schwanken und quietschen erbärmlich in den Federn und wir mitten drin. Nach den ersten 300 oder 400 m werden wir mutiger, mein Licht bringt doch mehr als zuerst angenommen, und so kann ich Speed machen, so um die 30 km/h, also dreimal so schnell wie die Pkw, und wir schlängeln uns durch die langsamen Fahrzeuge, manchmal hupt der Gegenverkehr etwas verärgert, weil ihn meine Festbeleuchtung blendet, aber hier ist jeder sich selbst der Nächste! Stellenweise ist es, als führen wir durch ein Flussbett, so viel Wasser ist im Tunnel. Thom klebt am meinem Heck, um meine Linie nachzufahren, und nach fast endlosen 20 Minuten sehen wir einen hellen Schimmer am Ende des Tunnels. Und tatsächlich, nach knapp 7 km spuckt uns die Unterwelt aus und wir haben wieder Tageslicht. Erst einmal rechts ran fahren, „give me five“ und den Mund, Nase und Augen mit Wasser ausspülen. Die Moppeds sehen aus wie sau, wir natürlich auch, aber wir haben ihn heil überwunden, den Tunnel des Todes.

Ab heute kann mich kein Tunnel mehr erschüttern, und ich bringe noch weniger Verständnis für Tunnelschleicher auf als bisher! Was für ein Abenteuer, dieser Tunnel! Der Rest des Abstiegs ins Tal von Duschanbe ist dagegen ein Klacks, auch wenn die Straße relativ schlecht ist und überall an ihr gebaut wird. Wir machen in einer Tschaikana Rast, und es gibt lecker Salat und eine Art Gulasch, was sehr lecker schmeckt, allerdings ist Thom nicht ganz so begeistert, sein Magen ist noch nicht ganz okay.

Danach suchen wir eine Awtomolka auf, um unsere Klamotten und die Moppeds wieder etwas präsentabel zu machen. Betrieben wird sie von ein paar Jugendlichen, die mit viel Elan und Engagement versuchen, unsere Moppeds wieder sauber zu bekommen, wir werden ebenfalls geduscht und ja, es sieht wieder gut aus. Der Rest des Weges nach Duschanbe führt durch eine Art Sommerfrische der Hauptstädter mit vielen Hotels und Pensionen, aber es ist noch zu früh für den Feierabend. Grad erst kurz vor Drei. Also durch Duschanbe durch, vorbei an gefühlten 100 Polizeikontrollen, die sich jedoch nicht für uns interessieren. Als Stadt recht ansehnlich, auf dem Weg zu einer modernen Metropole mit herrlich schattigen Alleen.

Wieder auf der Ausfallstraße noch einmal tanken, dann geht’s es weiter nach Dangara, wo wir hoffen eine Unterkunft zu bekommen. Der Weg führt durch welliges Hügelland an einem großen Stausee vorbei, ein herrlicher Anblick in der Nachmittagssonne. Die Straße breit und herrlich geschwungen, so macht Mopped fahren Spaß!

In Dangara wird’s etwas schwierig mit der Suche, Thom befragt Polizisten, die zwar bestätigen, dass es eine Gostiniza gibt, aber mangels der Sprachbarriere dauert es, bis wir das gesuchte Gebäude finden. Nicht wirklich ansprechend das Ganze, aber Thom guckt sich die Zimmer an und kommt kopfschüttelnd zurück, ein Drecksloch wie er so drastisch sagt. Okay, also Notfallplan inkraftsetzen und Camping wird beschlossen. Noch schnell Vorräte ergänzen und ein geeignetes Plätzchen suchen. Gar nicht so leicht, in dieser bewirtschafteten Gegend. Letztlich haben wir uns an den Rand eines Getreidefeldes platziert und unsere Zelte nach etwas Wartezeit aufgeschlagen.

Etliche Einheimische kamen noch vorbei und grüßten freundlich und schienen keine Probleme mit unserem Lagerplatz zu haben. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit verschwanden wir in den Zelten und ließen den Tag enden. Die Nacht war etwas laut, ein Lkw kam vorbei, die Vögel und Grillen machten Rabatz ohne Ende und gegen Mitternacht bellte sich ein Hund ob unserer Frechheit, hier zu zelten, zu Seele aus dem Leib. Da wir uns einfach tot stellten, ließ er nach ein paar Minuten nach und trollte sich. Ansonsten war es eine erträgliche Nacht und sogar relativ warm.

Wolle

Lebt in der Nähe von Hamburg und liebt das ganz große Abenteuer. War auf seiner modifizierten 650er Xchallenge in der Mongolei und Sibirien und tourte mit einer T700 durch Südamerika. Für die etwas gemächlicheren Touren innerhalb Zentraleuropas zieht er jedoch als Lastesel seine 800er Tiger vor.